MARKE GOTT

Update des gütigen Großvaters

TEXT: MICHAEL FEUERSENGER
BILDER:
PHOTOCASE.DE


Anna, die Heldin eines beeindruckenden Kinderbuches für Erwachsene, weiß von einem anderen Gott, als andere Kinder in ihrem Alter. Der gütige Großvater mit dem langen weißen Bart, in den westlichen Gesellschaften als besonderes Bonbon in der Zuckertüte und der Sonntagskatechese mitgeliefert, ist nicht ihr Gott. Dieser Gott ist vielmehr eine der fragwürdigsten Gestalten der modernen Didaktik. Mit Verlaub: Es riecht gewaltig nach Klischee, nach einer Vorstellung, die im Kontext des Reifeprozesses eines Menschen keinen Bestand haben kann.

"Anna war sechs Jahre alt. Manchmal hieß sie Fratz. Mit fünf Jahren kannte sie den Sinn des Lebens und wußte, was Liebe ist. Dazu war sie eine persönliche Freundin und auch Beraterin von Herrn Gott. Mister Gott eigentlich. Da die Engel selbstverständlich englisch sprechen, war anzunehmen, daß ihr oberster Herr das auch tat. Mister Gott also."

(Aus: Hallo, Mister Gott, hier spricht Anna
, München 1998)


Das Unerhörte der Transzendenz

Ein Blick auf den Transformationsprozess vom naiven Kinderglauben zum so genannten Erwachsenenglauben, zu einem "gereiften Glauben" - was auch immer einen solchen kennzeichnen mag - zeigt, wie sehr jede Vorstellung von Gott, die nicht individuell vermittelt ist, zur Irritation, zum Kreuz mit dem Glauben werden kann.

Simone de Beauvoir (1908 - 1986), französische Existentialistin, formulierte ihre Erfahrungen und den schlussendlichen Bruch mit Gott (oder dem, was wir so nennen) aus religionskritischer Retrospektive einmal so:

"Als Kind glaubte ich an Gott. Ein weißes Kleid und ein schimmerndes Flügelpaar erwarteten mich in der himmlischen Kostümkammer, und ich wünschte mir, das Gewölk zu durchstürmen. Ich streckte mich mit gefalteten Händen auf dem Bett aus und versank in den Wonnen des Jenseits. Gott war eine wirklichkeitsfremde Vorstellung irgendwo im Himmel. Eines Tages habe ich ihn weggewischt. Ich habe Gott nie vermisst. Er stahl mir die Erde."

(Aus: Beauvoir, de, Simone, "Die Mandarins von Paris", dt. von Ruth Ücker-Lutz und Fritz Montfort, pbb-Ausgabe, 1967.)


Vom politischen Gott - Oder: Der Name ist Programm

Gott, für viele der "große Unbekannte" geblieben, will aber genau der gar nicht sein. Der Mensch ist zu subjektiver Gotteserfahrung fähig, im Hier und Heute, weltimmanent - jedoch nicht aus sich selbst heraus. Er bedarf vielmehr der Selbstmitteilung Gottes aus Gnade, dessen, was die Fundamentaltheologie Offenbarung nennt.

Überlieferungen vom Gott der Väter, von El, dem Fruchtbarkeitsgott der kanaanitischen Bauern, und JHWH sind in der Glaubens-Geschichte des erwählten Volkes Israel zum Glauben an den Einen Gott Israels (Monotheismus) verschmolzen.

Die Bibel, Gottes Biographie und zugleich sein politisches Programm, erzählt von jenem besonderen Verhältnis zwischen Gott und seinem erwählten Volk (Bund), von dessen Befreiung (Exodus) und den Gesetzen, die seine Freiheit bewahren sollen (Dekalog). Gott führt sein Volk durch die Geschichte, eine Geschichte, in der aus dem Gott eines Volkes ein Gott der ganzen Welt wird. In Jesus, seinem Christus, sendet er einen Neuen Adam, damit Gott und Mensch auf's Neue verbunden seien (Neuer Bund).

Bibel ist Weltliteratur, konkrete Mitteilung Gottes, sein Wort an die Welt. Und sie berichtet von Fragen, von Ängsten und Zweifeln, kurzum von all dem, was gut und recht ein "Gotteskampf" geheißen werden kann. Es braucht schon einigen Mut, im Kontext dynamischer Lebenswirklichkeit zuzulassen, Gott zu erfahren und von ihm mitzuteilen - ihn eben nicht "[wegzuwischen]".

Der Gott der Christen und der Juden ist ein personaler Gott. Und Person will Person. Der Gottes-Name ist Programm: das Tetragramm JHWH - heißt "Ich-bin-da".

"Der Gott der Philosophen" - Ein Update

Die Unabdingbarkeit Gottes wird wieder entdeckt. Die Welt kann sich nicht neu entwerfen, ohne den einen ersten Entwurf Gottes implizit mitzudenken und mitzuleben. Dazu anbei und schließend verlinkt die
philosophisch-politische Idee eines Europas der Zukunft von Jürgen Habermas und Jacques Derrida in Auszügen.


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AUSGABE 32
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MARKE MENSCH
SUPERSTARS ALS SUPER-GEWINNQUELLE
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ARMANI: MARKE UND KUNST
25 MARKEN FÜR SCHLECHTE ZEITEN
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VOM JÄGER ZUM MEISTER DER MARKENWELT
MARKE MANN, MARKE FRAU
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