WIE STARS OPFER IHRES EIGENEN MYTHOS WERDEN

Die Imagefalle

TEXT
: JONS MAREK SCHIEMANN
BILD: PHOTOCASE


Im Gegensatz zu Prominenten, die nur einigen wenigen Eingeweihten im Sinne von Subkulturen bekannt sind und eine Art Verfallsdatum haben, besitzen Stars einen Nimbus bzw. eine Aura. Diese Aura erhalten sie durch bestimmte Qualitäten oder Charaktereigenschaften, die ihnen eigen sind. Wichtig ist nun aber, dass dieser Habitus auch für das Publikum ersichtlich ist. Und somit werden diese Charaktereigenschaften wichtig zur Vermarktung. Stellt sich das als erfolgreich heraus, so sind alle zufrieden: das Publikum hat eine scheinbar übermenschliche Projektionsfläche für seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse sowie eine Identifikationsfigur, die Produzenten von Medienangeboten einen lukrativen Posten und der Star fühlt sich als, na ja, eben Stern: angehimmelt, erfolgreich und sehr gut verdienend.

Eine Zeit lang mag das gut gehen, aber wenn die Grenzen des Images gesprengt werden sollen, so kann das sehr schmerzhaft werden und ist oftmals zum Scheitern verurteilt. Einige wenige die es schaffen und mit Ironie ihren Status ausstatten, wurden und werden so umso größer und zu einem Mythos. Sean Connery und Clint Eastwood gehören zu dieser Kategorie. Tat sich Connery anfangs sehr schwer damit sich von seinem James-Bond-Image zu lösen, hat er es auf seine alten Tage geschafft. Aber Mitte und Ende der siebziger Jahre wollte ihn das Publikum nicht anders als James Bond wahrnehmen. Erst in den achtziger Jahren wurde er neben dem James-Bond-Mythos zu einem eigenständigen. Vor allem mit Filmen wie „Der Name der Rose“, „The Untouchables“ (Oscar als bester Nebendarsteller) und „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ konnte er sich endgültig von Bond lösen. Vor allem in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ durch seine Darstellung des etwas trotteligen Archäologieprofessors und Vater des Helden, brach er ironisch mit seinem Heldenimage.

Vor allen anderen schaffte es aber Clint Eastwood gerade mit seiner Demythologisierung zu einem Mythos zu werden. Interessanterweise trug Eastwood zu einer Mythologisierung mit bei. Der Westernheld wird bestimmt vor allem mit zwei Darstellern assoziiert: John Wayne und Clint Eastwood. Im Gegensatz zu Wayne, der den aufrechten Amerikaner verkörperte, zeigte Eastwood immer gebrochene, gescheiterte und brutale Männer. In einem Interview sagte er einmal: „Ich bin der Held, schieße den Bösen aber in den Rücken.“ Gerade diese Entmythifizierung ließen ihn zu einem Mythos werden. Vor allem in seinen späteren Filmen wie „Erbarmungslos“ zerstört er die Mythen des Western. In seinen Krimis wie der Dirty- Harry-Reihe überhöhte er sein Image und gab ihm somit eine ironische Brechung. Im vierten Dirty-Harry-Film z.B. bedarf er gar keiner Schusswaffe mehr, um einen Verbrecher zur Strecke zu bringen: er bedroht ihn so sehr mit seinen Worten, dass der Gangster an einem Herzinfarkt stirbt. Der Mund wird zur Waffe und somit die Person an sich.

Andere Schauspieler hingegen scheiterten oft grandios bei der Brechung ihres Images. Aus dieser langen Liste sollen nur kurz einige erwähnt werden wie Arnold Schwarzenegger, der mit seinen Ausflügen ins Komödienfach derbe Rückschläge erlitt und Sylvester Stallone dem es ebenso erging, aber im Gegensatz zu Schwarzenegger schon lange keinen erfolgreichen Film mehr vorweisen kann. Gerüchteweise plant er den sechsten Film über die Boxerfigur Rocky. Auch eine Art seinen Nimbus zu zerstören.

Meg Ryan und Julia Roberts, letztere mittlerweile als Charakterdarstellerin anerkannt, wurden auf zuckersüße Komödien festgelegt und derbe abgestraft für ihre Ausflüge ins Charakterfach: Meg Ryan für „Mut zur Wahrheit“ und Julia Roberts für „Mary Reilly“. In der Musik ist gerade eine interessante Entmythifizierung zu beobachten: Madonna tut alles um ihren lange erschaffenen Nimbus zu zerstören. Bei ihr ist aber zu befürchten, dass dieser Weg in die Bedeutungslosigkeit führen wird. Andere hingegen sind auf bestem Wege wie Bruce Willis, der erfolgreich das Actionfach verlassen hat und sich in allen Genres tummelt.

Bisher wurde der Prozess vom Star zum Mythos betrachtet, wobei vor allem Clint Eastwood und Sean Connery herausragen. Betrachtet man nun allerdings die Stars die bereits zu einem Mythos geworden sind, so fällt eine Gemeinsamkeit auf: sie sind alle tot. Sie hatten nicht mehr die Möglichkeit ihren Habitus zu verändern bzw. schafften es nicht und so wurden sie zu Ewigkeiten zu ihrem Image und leben heute noch in ihrer Aura fort. Humphrey Bogart in seinem Trenchcoat, Elvis Presley in seinem Glitzerkostüm und aufgeschwemmt von Tabletten (warum wird eigentlich der späte abgewrackte Presley so verehrt und nicht der junge?) und natürlich die göttliche Marilyn Monroe. In anderen Bereichen gibt es natürlich auch mythologisierte Stars wie in der Literatur Ernest Hemingway und in der Musik Kurt Cobain. Auffällig ist, dass alle oben genannten starke Identifikationsfiguren waren und viel Autobiographisches in ihren Werken verarbeiteten, welches sie nicht nur unsterblich machte, sondern auch die Ehrlichkeit verlieh, die das Publikum noch heute spürt. Aber diese Ehrlichkeit macht auch verletzlich: Monroe, Hemingway und Cobain begingen Selbstmord. Bogart und Presley starben an ihrer jeweiligen Sucht. Keiner von den genannten konnte sich selbst mit seinem Image entfliehen. Diese Zerrissenheit, die Menschen zu Charakteren macht, lässt Raum für Phantasien, Identifikation und Kumpanei. In ihren Fehlern werden sie zu Bekannten wenn nicht gar zu Freunden ohne ihre Aura zu verlieren. Und das ist, glaube ich, der Faktor der einen Star zum Mythos werden lassen kann. 

Allerdings kann ein Star sich auch in seiner Aura verlieren, was im Grunde eine Bestätigung derselben ist: eine in dieser Hinsicht interessante Geschichte erzählte mal der Hollywoodstar Kirk Douglas. Als dieser mit Ehrungen und Lob überhäuft wurde für seine Rolle als Vincent van Gogh bekam er einen Anruf von seinem Freund und Kollegen John Wayne. Wayne fragte Douglas warum er nur so eine Schwuchtel wie van Gogh spielen könne, der wahnsinnig wurde und sich ein Ohr abschnitt. Mag zwar Waynes berüchtigter Konservatismus als Erklärung dienen (schließlich drehte er auch rassistische Propagandafilme wie den Pro-Vietnam-Krieg „Die grünen Teufel“), so machte mich Douglas´  Kommentar zu der Sache sehr nachdenklich. Douglas sagte, dass Wayne nicht mehr zwischen sich und seinen Rollen unterscheiden konnte und so zu den Figuren wurde, die er in seinen Filmen spielte.

 


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